INHALT (bitte klicken)

EINLEITUNG

Lernstörungen bereits im Grundschulalter

I. BEGRIFFSABKLÄRUNGEN

1. Automatisierung/Automatisierungsdefizit

2. Die Low-Level Funktionen und die Stufen sprachlicher Kompetenz nach Ptok

3. Die 7 wichtigsten Low-Level-Funktionen (LLF)

II. DAS TRAINING NACH WARNKE

Wie funktioniert es?

III. WAS DAS WARNKE-TRAINING NOCH ZU BIETEN HAT

Flic-Project: Foreign Language acquisition with the Instinct of a Child

Ausführliche Infos und wissenschaftliche Grundlagen unter:

www.meditech.de
www.forschung.meditech.de
www.brain-boy.de


EINLEITUNG

Lernstörungen bereits im Grundschulalter

Wie mühsam Schule bereits in den Volksschulstufen sein kann, beweisen tägliche Konflikte im Klassenraum, in Kinderbetreuungsstätten und vor allem zu Hause im Familienverband. Die Kinder, die gerade erst begonnen haben, sich auf das Abenteuer "Lernen" einzulassen, sind bereits in den ersten Lernjahren ihres Lebens so frustriert und demotiviert, dass wir in vielen Fällen verzweifelt und ratlos vor einem immer häufiger auftretenden Problem stehen: unsere Kinder weisen grobe Lernstörungen auf, die ihre weitere schulische Entwicklung beeinträchtigen, hemmen oder gar unmöglich machen.

Aber nicht nur das schulische Fortkommen der Kinder ist gefährdet. Oft haben diese Lerndefizite weit reichende Auswirkungen auf die sozialen Kontakte des Kindes, die Familiensituation zu Hause und damit den reibungslosen Tagesablauf, und nicht zuletzt auf die gesamte Persönlichkeitsstruktur des Kindes. Demotivierte und von Misserfolgen gebeutelte Lerner sind traurig, ängstlich, mutlos und pessimistisch, oft aggressiv und sogar kränkelnd.

Dem stehen Lehrer gegenüber, denen es aufgrund schwieriger Klassenkonstellationen (z.B. hohen Anteils fremdsprachiger Kinder) und vor allem eines sehr beschränkten Zeitrahmens nicht oder nur bedingt möglich ist, gezielt eingreifen und helfen zu können.

Um dieser Tatsache entgegenzutreten hat es wenig Sinn, die Kinder mit enormem finanziellem Aufwand bereits im Grundschulalter unreflektiert in den Nachhilfeunterricht zu schicken oder sie mit Ermahnungen zum "noch mehr Lernen" zu quälen.
Vielmehr sollten wir von der "Symptombehandlung" zur Ursachenfindung übergehen.
Und es ist ganz besonders wichtig, hier behutsam und mit großer Achtsamkeit heranzugehen.

Manches Mal liegen die Lernstörungen der Kinder im psychologischen Bereich oder wurzeln in einer schwierigen Familiensituation. Viele Kinder haben bereits gut gemeinte, aber dennoch sehr anstrengende und zermürbende Therapien hinter sich und sehen sich selbst als "Problemfall". Es ist daher essentiell, das Kind in seiner Gesamtheit und mit all seinen Bedürfnissen wahrzunehmen.

Nun sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Institution und Methoden entstanden, um diesen immer häufiger zu Tage tretenden Lernproblemen entgegenzuwirken. Viele Legasthenietrainer, Kinder- und Schulpsychologen leisten hervorragende Arbeit, andere Trainingsinstitutionen scheinen ausschließlich dem Wohlergehen der Betreiber zu nützen.

Wie viele andere Ansätze auch bewegt sich das Warnke®-Verfahren über die sichtbaren schulischen Schwächen und Mängel hinaus, um tiefer zu graben. Begriffe wie "Teilleistungs-Schwächen" (Sindelar-Methode)1 sind in diesem Kontext seit längerem geläufig.

Doch sehr häufig liegen die Gründe für eine massive Lernauffälligkeit in Defiziten, die das Kind durch seine (gesundheitliche) Entwicklung mitbringt. Unmerkliche Fehlentwicklungen während der Schwangerschaft oder häufige Mittelohrentzündungen im Kleinkindalter beispielsweise beeinträchtigen das Hörvermögen und damit einen störungsfreien Spracherwerb, der sich in weiterer Folge in einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) niederschlagen kann. Bei 4% der Kinder mit derartigen Defiziten sind genetische Defekte die Ursache.
Es handelt sich dabei — und hier setzt das Warnke®-Verfahren an — um ein Defizit in der Automatisierung der Low-Level-Funktionen.



I. BEGRIFFSABKLÄRUNGEN

1. Automatisierung/Automatisierungsdefizit

Denken Sie an die Zeit, als Sie das Autofahren gelernt haben und betrachten Sie Ihr Fahrvermögen am Tag der Führerscheinprüfung. Wir können davon ausgehen, dass Ihre Fähigkeiten, ein Automobil zu steuern, zu diesem Zeitpunkt alles andere als automatisiert waren. Sie hielten konzentriert das Lenkrad fest, warteten nervös auf jede Anweisung des Prüfers. Jede Bewegung Ihrer Füße zum Gaspedal oder zur Kupplung, jede Handbewegung zur Gangschaltung waren bewusst (und vielleicht im Schweiße Ihres Angesichts) gesteuert.

Und heute? Wie Sie quasi täglich erleben können, sind Sie heute in der Lage, ein anspruchsvolles Gespräch mit einem Beifahrer zu führen, während Sie Ihren Wagen lenken. Sie verlieren keinen Gedanken mehr daran, wann genau die Kupplung zu treten ist. Ihr Fahrvermögen heute ist also perfekt automatisiert.

Es ist eine Tatsache, dass das Gehirn nur eine kognitive/bewusste Handlung zurzeit ausführen kann, die nicht automatisiert ist. Alle parallelen Handlungen, die unbewusst ablaufen und sozusagen aus dem "Hintergrund" des Gehirns kommen, müssen automatisiert sein.

Eine automatisierte Handlung

Was liegt also näher, gewisse Grundfertigkeiten, die wir beim sprachlichen Handeln allgemein und beim schulischen Lernen im Speziellen brauchen, zu automatisieren?

Und — welche sind nun diese "Grundfertigkeiten", von denen hier die Rede ist?


2. Die Low-Level Funktionen und die Stufen sprachlicher Kompetenz nach Ptok

Wenn wir unseren Spracherwerb und die Sprech- bzw. Lernfähigkeit untersuchen, müssen wir an die Basis aller Sprachlernprozesse gehen:

Diesem Stufenmodell von Ptok2 folgend bilden die "Low-Level-Funktionen" die "unterste Ebene" unserer sprachlichen Kompetenz.
Gemeint sind die noch sprachfreien, grundlegenden Erkennungsfunktionen für zeitliche Veränderungen und für die Tonhöhenstruktur des ankommenden Schalls.

In der nächst höheren, phonetischen Stufe wird schon feinmaschiger selektiert. Wir bewegen uns auf der Ebene der Lautmerkmale, der zum Beispiel ein brabbelndes Kind zugehört. Es produziert Laute, die jedoch noch nicht bedeutungsunterscheidend sind.

Die Erkennung und Unterscheidung, also das bewusste Einsetzen bestimmter Laute, erfolgt auf der phonologischen Stufe, auf der, laut Ptok, ein erster Bezug zur Sprache entsteht.

Auf der lexikalisch-semantischen Stufe wird die Verbindung zum vollständigen Wort hergestellt und seine Bedeutung erkannt, allerdings noch ohne die Bewertung des Satzzusammenhanges.

Erst auf der obersten, der morphologisch-syntaktischen Stufe wird das Wort in den Gestalt gebenden Zusammenhang des Satzes eingebettet.


3. Die 7 wichtigsten Low-Level-Funktionen (LLF)

1. Die visuelle Ordnungsschwelle ist diejenige Zeitspanne, die zwischen zwei visuellen Reizen benötigt wird, um sie getrennt voneinander wahrnehmen und in eine Reihenfolge (Ordnung) bringen zu können. Je geringer die Abstände zwischen zwei Reizen sind, desto mehr Information (pro Sekunde) kann aufgenommen werden. Diese visuelle Fähigkeit ist zum Beispiel beim Verarbeiten von gelesenen Texten sehr wichtig.

2. Die auditive Ordnungsschwelle definiert oben genanntes Muster im auditiven Bereich (Wahrnehmung akustischer Reize). Sie erlaubt unter anderem erst die Differenzierung von d/t, b/p und g/k, da sich diese Buchstabenpaare vor allem durch die Länge der anlautenden Konsonanten unterscheiden.
Eine verlangsamte auditive Ordnungsschwelle könnte beispielsweise auch zur Folge haben, dass der anlautende Konsonant völlig "durch den Rost fällt", also gänzlich überhört wird. Und ob "tragen" oder "ragen" macht doch einen gehörigen Unterschied!

3. Das Richtungshören ("Party-Effekt") ist unentbehrlich für das Herausfiltern und Unterscheiden von Nutzschall und Störschall. Für den Schüler während eines Diktates in der Klasse gewährt einwandfreies Richtungshören das problemlose Abheben der Stimme des Lehrers von den Störgeräuschen der Klasse (Husten, Sesselrücken, andere Stimmen, zu Boden fallende Gegenstände etc.).

4. Die Tonhöhendiskrimination dient der Erkennung und richtigen Interpretation der Sprechmelodie (Prosodie) und der Vokalerkennung.

5. Eine perfekt automatisierte auditiv-motorische Koordination ist für Schüler u.a. immer dann notwendig, wenn es um die graphische Umsetzung akustischer Reize geht (die klassische Diktatsituation!).

6. Die Wahl-Reaktionszeit definiert die Fähigkeit, blitzschnell und gesteuert auf unterschiedliche Reize reagieren zu können. Die zielsichere Auswahl der richtigen Strategie und die möglichst geringe Zeit, die benötigt wird, um danach ins Handeln zu kommen, können in Gefahrensituationen lebenswichtig sein.

7. Die auditive Mustererkennung dient der Unterscheidung minimaler Unterschiede innerhalb von Tonfolgen und der Fähigkeit, bestimmte Laute eindeutig voneinander abgrenzen zu k?nnen.

Zum einen erscheint es also sinnvoll, sich der LLF und deren mess- und bewertbarer Repräsentation zuzuwenden, um herauszufinden, ob es hier Defizite gibt.

Zum anderen ist es essentiell, vorhandene Defizite durch gezieltes Training aufzuholen und in weiterer Folge zu automatisieren.



II. DAS TRAINING NACH WARNKE

1. Wie funktioniert es?

Der deutsche Psychoakustiker Fred Warnke (www.fred-warnke.de) 3 hat sich bereits während seiner Tätigkeit bei der Sennheiser Electronics GmbH (Audiotechnik) über die Zusammenhänge des Hörvermögens mit der Psychologie und Lernkraft des Menschen umfängliche Gedanken gemacht.

Das auf seinen Erkenntnissen und Forschungen beruhende Warnke®-Verfahren ist nun eine auf Low-Level-Defizite und Automatisierungsstörungen maßgeschneiderte Test- und Trainingsmethode. Sie setzt an den Wurzeln sichtbar gewordener Lernstörungen an, anstatt an den Zweigen des "Lernbaumes" zu rütteln und Symptombekämpfung zu betreiben.

Die beiden Säulen des Warnke®-Verfahrens sind zwei Geräte, die jeweils sowohl für das Training in der Praxis des Therapeuten (in einer aufwendigeren Version) als auch für das häusliche Training (in der vereinfachten Form) bestimmt sind.





Brainboy

  • Der Brainboy (BBU) ist ein handliches Gerät in der Größe eines Gameboys (die Ähnlichkeit der Namen ist bestimmt kein Zufall...), das zusätzlich mit einem Kopfhörer ausgestattet ist.
    Die neuesten Modelle verfügen über 8 "Spiele", die alle LLF bedienen, wobei die Mustererkennung durch zwei verschiedene Spiele abgedeckt ist. Es werden Klicks bzw. Töne angeboten, die, je nach Spiel, durch den Druck einer von zwei Tasten auf dem Gerät in eine Ordnung gebracht bzw. einem Muster zugeordnet werden sollen. Das Gerät reagiert auf richtige Lösungen sofort mit einem "Toll", "Super", "Spitze"... — denn: durch Lob, das innerhalb von 0,5 Sekunden nach der erbrachten Leistung erfolgt, ist (laut Skinner4) der Lernerfolg am nachhaltigsten.

  • Mit dem Lateraltrainer (LT) wird die Koordination der beiden Hirnhälften verbessert. Wenn man bedenkt, dass Wörter bilateral organisiert sind, wird die Bedeutung des interhemisphären Zusammenwirkens für die korrekte Anwendung von Sprache deutlich.
    Das Kind hört über Kopfhörer eine Modellstimme (die beispielsweise einen Text liest), während es ebendiesen Text vor sich hat und (in ein Mikrofon) mitspricht. Es hört nun sowohl die Modell- als auch die eigene Stimme synchron über Kopfhörer.

    Das besondere am Lateraltraining ist, dass der Eindruck entsteht, der Schall der Modellstimme würde von einem Ohr zum anderen wandern, während sich der Schall der eingespielten Stimme des Kindes in die jeweils andere Richtung bewegt. Diese kreuzweise Hin-und Herbewegung bewirkt ein ständiges Aktivieren des Corpus callosum, also des Balkens, der die beiden Gehirnhälften miteinander verbindet. Gerade diese Hemisphärenkoordination ist bei LRS-Kindern oft sehr beeinträchtigt.

   

Lateraltraining


Wünschenswert wäre nun folgende Trainingsfrequenz:

  • täglich 10 -15 Minuten BBU-Training
  • 2-3x pro Woche LT-Training

über einen Zeitraum von mindestens 2 - 3 Monaten.



III. WAS DAS WARNKE-TRAINING NOCH ZU BIETEN HAT

Flic-Project: Foreign Language acquisition with the Instinct of a Child

Dieses in drei verschiedenen europäischen Ländern (Frankreich, Italien und Deutschland) durchgeführte Projekt zum Fremdsprachenerwerb hat das Ziel, erwachsenen Sprachlernern einen natürlicheren, "instinktiven" Zugang zur Sprache zu vermitteln wie Kinder ihn haben. Die Lernmethode basiert auf dem Lateraltraining nach Warnke.
Da LRS-Kinder ihre Muttersprache zum Teil als eine "Fremdsprache" erfahren, ist es nachvollziehbar, dass in beiden Fällen interhemisphäres Lernen große Erfolge bringt.

Die Testphase wurde an 5 verschiedenen Orten in oben genannten Ländern in den vergangenen drei Jahren durchgeführt. Nun werden an der University of Sheffield in Großbritannien die Versuchsreihen ausgewertet. Erste Ergebnisse werden in Kürze erwartet.

Info unter: www.flic-project.org und http://cordis.europa.eu



ZURÜCK ZUM SEITENBEGINN

1 Die Psychologin Dr. Brigitte Sindelar arbeitet anhand der von ihr entwickelten Methode an der Behebung von Teilleistungsschwächen als Ursache von Legasthenie, Leseschwäche und Rechenschwäche.

2 PTOK Martin, Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen und Legasthenie, Hessisches Ärzteblatt 2/2000, S. 52-54 [Prof. Dr. Martin Ptok, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie - Medizinische Hochschule Hannover]

3 www.fred-warnke.de

4 Der amerikanische Lernpsychologe und Neobehaviorist Frederic Skinner (1904-1990) wurde u.a. durch seine Black-Box-Versuche an Ratten berühmt, anhand derer er das Phänomen der Konditionierung untersuchte. Seine Forschungsergebnisse zum Thema Lernen zeigen außerdem, dass das Gelernte am besten behalten wird, wenn das "Reinforcement", innerhalb von 0,5 Sekunden erfolgt.